Mathias Schmid steht mittig. Er startet nächstes Jahr seine Ausbildung als Zimmerer. Geschäftsführer und Ausbildungsleiter stehen stolz neben ihm.
Eva Fruth
Mathias Schmid (Mitte) startet bei Holzbau Semmler in Hemau im nächsten Jahr seine Ausbildung. Das freut auch Geschäftsführer Max Semmler (rechts) und Ausbildungsleiter Josef Ferstl.

Tag des Handwerks an SchulenPraxisnahe Berufsorientierung zeigt Wirksamkeit

Für das Handwerk hat sich Matthias Schmid aus Thonlohe bei Hemau schon lange interessiert. Sein Großvater war Zimmerer, hat den Enkelsohn häufig auf die Baustelle mitgenommen. „Das mit dem Holz hat mir einfach getaugt“, erzählt er. In der achten Klasse nimmt er an einem Handwerks-Parcours in seiner Schule, der Johann-Simon-Mayr-Realschule in Riedenburg, teil. Sechs Handwerksbetriebe aus der Region stellen sich vor und zeigen an kleinen Praxisstationen, was die Berufe ausmacht und warum eine Ausbildung im Handwerk so reizvoll ist. „Man wurde ins Thema hineingeschubst und das hat mir sehr gut gefallen“, erinnert sich der 16-Jährige. Auch die Holzbau Semmler GmbH aus Hemau war dort vertreten. Nach dem Parcours war Matthias Schmid dann „restlos überzeugt“ und absolviert bei dem Holzbauunternehmen ein schulisches Praktikum. Den Ausbildungsplatz hat er mittlerweile sicher in der Tasche.

Wirksamkeit zu beobachten

Der Handwerks-Parcours ist eine von drei Säulen, mit der die Handwerkskammer sich am „Tag des Handwerks“ an Schulen beteiligt, der im Schuljahr 2022/23 bayernweit eingeführt wurde. Für die verpflichtende Umsetzung der Berufsorientierungsmaßnahme an Realschulen und Gymnasien, habe man in der Interessenvertretung lange gekämpft, erzählt HWK-Präsident Dr. Georg Haber. „Der akademische und berufliche Bildungsweg müssen gleichgestellt sein – auch bei der Berufsorientierung.“ Jeder habe im Handwerk enorme Perspektiven, ob mit Abitur oder Mittelschulabschluss, davon ist Haber überzeugt.

Neben dem Parcours können ostbayerische Schulen den Tag in den elf Bildungszentren der Handwerkskammer absolvieren oder direkt vor Ort bei teilnehmenden Betrieben. HWK-Mitarbeiterin Gitte Wagner koordiniert die Aktivitäten der Handwerkskammer bei der Umsetzung des „Tag des Handwerks“ an Schulen. Sie berichtet, dass durch diese drei Maßnahmen in den letzten Jahren über 18.000 Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen in Ostbayern das Handwerk praxisnah kennengelernt haben. „Das Schönste dabei ist, dass die Schüler sich mit echter Begeisterung an den Mitmach-Stationen beteiligen“, so Wagner. Doch auch die Wirksamkeit sei mittlerweile zu beobachten. „Immer häufiger erzählen mir Betriebe, die sich am Tag des Handwerks beteiligen, dass sie dadurch Praktikanten und Auszubildende gefunden haben.“

Praxisbezug begeistert

Die Holzbau Semmler GmbH ist bereits im zweiten Jahr bei den Handwerks-Parcours in Schulen mit dabei. Max Semmler führt den Familienbetrieb in der fünften Generation gemeinsam mit seinem Vater. Das Holzbauunternehmen ist breit aufgestellt, von Hauseingangsüberdachungen bis hin zum Bau von Einfamilienhäusern und Hallen. „Wir machen alles was das Holzbau-Herz erfreut“, so der 36-Jährige. Dabei habe man sich auf die Fahnen geschrieben, regional tätig zu bleiben. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus der Region. Um mit jungen Menschen in Kontakt zu treten und für eine Lehre im Zimmererhandwerk zu begeistern ist die Holzbau Semmler GmbH auch deswegen beim Parcours mit dabei. „Das Format ist sehr gut, denn wir können so genau die Zielgruppe ansprechen, die für uns perfekt ist“, berichtet Semmler. Bei der Mitmach-Station müssen die Schülerinnen und Schüler eine Leonardo-Brücke bauen, eine Bogenkonstruktion aus Holzstücken, die ohne Verbindungsmittel ineinandergesteckt werden. Für Josef Ferstl, angestellter Zimmerermeister und Ausbildungsleiter bei Holzbau Semmler, die optimale Übung. „Da sieht man genau, was Holz alles kann.“ Die Begeisterung bekomme man dabei richtig mit. „Durch das Praktische können wir die Schüler einfach ganz anders abholen.“

Ähnliche Erfahrungen hat auch Michaela Schön gemacht. Die Hörgeräte-Akustikmeisterin ist seit 2002 bei Hörgeräte Seifert angestellt und mittlerweile Standortleiterin der Filiale in Amberg. Lange Zeit sei es schwierig gewesen, Nachwuchs zu finden. „Das liegt unter anderem daran, weil der Beruf so unbekannt ist“, meint Schön. Im Juli 2025 hat sich das Team von Michaela Schön deswegen zum fünften Mal an einem Parcours beteiligt und ihren Beruf praktisch vorgestellt. Bei der Praxisstation können die Schülerinnen und Schüler Otoplastiken anfertigen und fräsen, aber auch Hörgeräte selbst ausprobieren. „Auch für uns ist das eine tolle Erfahrung, mal aus dem Alltag auszubrechen und mit den Jugendlichen in Kontakt zu kommen.“ Die engagierte Teilnahme hat aber noch einen weiteren Effekt. Für die Filialen in Amberg und Kümmersbruck konnten auf diesem Weg Praktikanten gewonnen werden, die sich für den Beruf begeistert haben. „Bei einer davon ist es sehr wahrscheinlich, dass sie bei uns ihre Ausbildung machen wird, wenn sie mit der Schule fertig ist.“

Teilnahme lohnt sich langfristig

In diesem Schuljahr wurden von der Handwerkskammer, von Kreishandwerkerschaften und auf Eigeninitiative der Schulen 45 Handwerks-Parcours an Gymnasien und Realschulen in Niederbayern und der Oberpfalz organisiert. Aktuell bieten ostbayernweit zusätzlich 158 Betriebe individuelle Praxistage auf der offiziellen Online-Plattform zum „Tag des Handwerks“ an. Die Tendenz sei steigend, erzählt Gitte Wagner. Doch noch immer sei es in manchen Regionen schwierig Handwerksbetriebe für eine Teilnahme zu gewinnen. Dafür hat Wagner Verständnis. „Nicht jeder Betrieb hat die personellen oder finanziellen Kapazitäten, einen Tag lang zuzusperren.“ Trotzdem zeigten die Erfahrungen zahlreicher Betriebe, dass sich eine Teilnahme an den Parcours oder mit eigenen Praxiswerkstätten einen langfristigen Mehrwert haben kann, um Nachwuchs zu gewinnen, meint Gitte Wagner. Dass sich die Betriebe und Gewerke direkt bei den Schülern vorstellen, das mache Eindruck auf junge Menschen, die mit der Berufswahl und der Fülle an Möglichkeiten häufig überfordert seien. Wichtig sei außerdem, dass die Jugendlichen einen Einblick erhalten, wie innovativ und vielseitig das Handwerk sei. „Handwerk ist in den Köpfen vieler Eltern und Schüler noch immer mit Klischees behaftet. Auch damit können wir beim ‚Tag des Handwerks‘ aufräumen und zeigen, dass sich eine Ausbildung im Handwerk für jeden und jede lohnen kann.“

 Ansprechpartner

Gitte Wagner

Koordinatorin "Tag des Handwerks"

Tel. 0851 5301-235

Fax 0851 5301-281235

gitte.wagner--at--hwkno.de

Ein Schüler misst an einem Messgerät. Die Ausbilderin schaut zu und prüft nach.
HWK
Drei Jahre „Tag des Handwerks“ an Schulen: Praxisnahe Berufsorientierung zeigt Wirksamkeit.

Gitte Wagner, die Koordinatorin des „Tag des Handwerks“.
HWK
Gitte Wagner, Koordinatorin des „Tag des Handwerks“.