Corona Exit Strategie
Jürgen Fälchle - stock.adobe.com

Präsident Dr. Georg Haber und Hauptgeschäftsführer Jürgen Kilger im InterviewForderungen an die (Post-)Pandemie-Politik

Corona hat die Wirtschaft weltweit wie auch Teile des regionalen Handwerks schwer getroffen. Die künftige Regierung steht mit Blick auf die Bundestagswahlen vor großen Herausforderungen. HWK-Präsident Dr. Georg Haber und HWK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Kilger machen die Forderungen des ostbayerischen Handwerks an die politisch Verantwortlichen klar.

Herr Dr. Haber, wo steht das Handwerk in der Krise gerade?

Georg Haber: Es herrscht Unsicherheit, vor allem in den Gewerken, die von der Pandemie stark getroffen wurden. Keiner weiß, wie es im Herbst weitergeht. Nichtsdestotrotz lassen sich unsere Betriebe nicht entmutigen. Seit Ausbruch der Krise hat sich das Handwerk in Niederbayern und der Oberpfalz als Stabilitätsanker erwiesen, die Nahversorgung der Region gesichert, Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten und geschaffen, das kann man nicht von jeder Branche behaupten. Damit unsere Betriebe dies auch künftig tun können, brauchen wir bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Unternehmersein muss wieder Spaß machen.

Mit welchen Maßnahmen könnte die Regierung Abhilfe schaffen?

Georg Haber: Wir brauchen eine mittelstandsfreundliche Finanz- und Steuerpolitik. Öffentliche Aufträge, seien es Renovierungen in Schulen oder energetische Sanierungen im Rathaus, sind jetzt wichtiger denn je. Jeder Auftrag hilft, unsere Volkswirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Zudem brauchen wir eine Unternehmenssteuerreform, die den Namen wirklich verdient.

Jürgen Kilger: Mit Blick auf den Herbst gilt es, Gesundheitsschutz und wirtschaftliches Leben in Einklang zu halten. Ständige Lockdowns können langfristig nicht die Lösung sein. In diesem Zusammenhang appellieren wir an die künftige Politik, die bestehenden Unterstützungsinstrumente für Betriebe unbedingt aufrecht zu erhalten, sodass im Notfall darauf zurückgegriffen werden kann. Gelder müssen schnell und unbürokratisch fließen. Das ist nach eineinhalb Jahren Pandemie immer noch nicht gelungen.

Bei welchen Themen brennt es besonders, wo gilt es nachzubessern?

Jürgen Kilger: Die Krise hat wie ein Brennglas gezeigt, wo es zuvor schon hakte. Die Politik verspricht und sichert zu, doch es tut sich wenig. Die überbordende Bürokratie beispielsweise quält das Handwerk mehr denn je. Dabei könnte der Abbau von Bürokratie helfen, die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft zu stärken. Entlastung brächte es zum Beispiel, Aufbewahrungsfristen zu vereinheitlichen und zu verkürzen und Statistikpflichten effizienter zu gestalten. Auch in der Digitalisierung der Verwaltung liegt riesiges Entlastungspotenzial – wenn sie gut gemacht ist und darüber hinaus in der kleinsten Gemeinde funktioniert. Wir erwarten, dass die künftige Regierung diesem Vorhaben höchste Priorität beimisst.

Georg Haber: Immerhin hat die Pandemie der Digitalisierung einen enormen Schub verpasst, das sollte man nutzen. Ebenso ergeben sich für das Handwerk große Chancen, im Gegenzug steht die Gefahr von Cyber-Crime, viele Betriebe sind bereits betroffen. Wir sehen hier neben den Betrieben gleichermaßen den Staat in der Verantwortung, um das Land am Laufen zu halten. Außerdem entwickeln sich datengetriebene Geschäftsmodelle rasant. Bislang ist das Handwerk hier im Nachteil, faktisch haben nur Hersteller direkten, digitalen Zugang zu Produkt und Nutzer. Die Politik muss faire Bedingungen schaffen: Kleinere und mittlere Unternehmen brauchen mit Blick auf Smart Home und der Kfz-Wartung einen fairen Datennutzungszugang, um beispielsweise Rückschlüsse für vorausschauende Instandhaltung oder die Entwicklung neuer Serviceangebote ziehen zu können.

Ostbayern ist stark ländlich geprägt, wo sehen Sie im Stadt-Land-Vergleich die größten Defizite?

Jürgen Kilger: Gerade in puncto Breitbandausbau und mobiler Dateninfrastruktur gibt es hier noch viel zu tun. Bayern, insbesondere Ostbayern, ist schlechter mit 4G-Mobilfunk versorgt als der Bundesdurchschnitt. Viele Handwerker sind aber auf durchgängige Sprach- und Datenkommunikation angewiesen, weil sie beispielsweise einen Großteil ihrer Arbeit auf Baustellen oder beim Kunden verrichten. Glasfaser bis zu jedem Haus sowie ein flächendeckender Mobilfunk sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaftsgruppe und letztlich der Region, hier muss die künftige Regierung noch mehr für den ländlichen Raum tun.

Gleich ob Stadt oder Land, das Handwerk ist ostbayernweit mit den Folgeerscheinungen der Krise konfrontiert…

Georg Haber: Die Deckung des Fachkräftebedarfs bleibt ein Riesenthema. Seit jeher kämpfen wir für die Gleichstellung von akademischer und beruflicher Bildung. Nach wie vor scheint vielen Schulabgängern, auch den Eltern, nicht bewusst zu sein, welche hervorragenden Karrieremöglichkeiten unsere Branche bietet. Zumal der Meistertitel mit dem Bachelorabschluss und der Betriebswirt im Handwerk mit dem Master gleichgesetzt ist. Wir rühren dafür weiter aktiv die Werbetrommel, vor allem aber muss die Politik die Attraktivität und Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung sichtbar machen und erkennbar steigern.

Auch Materialknappheit, Preissteigerungen und Lieferengpässe spitzen sich zu…

Jürgen Kilger: Ganz klar: Die aktuellen Preis- und Beschaffungsprobleme sind kein rein deutsches Phänomen, sondern herrschen überall in der EU. Dennoch könnte hierzulande eine Vereinfachung und Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren helfen, Investitionsbedingungen zu verbessern. Darüber hinaus gehören die Nutzung von recycelten Baustoffen und Sekundärrohstoffen als Ersatzbaustoffe erleichtert. Das könnte die Lage entspannen. Dass die öffentliche Hand auf Sanktionen bei Verzögerungen im Bauablauf aufgrund von Lieferengpässen verzichten sollte, versteht sich von selbst.

Von welchen Parteien und Regierungskoalitionen versprechen Sie sich am ehesten Lösungen?

Georg Haber: Als Vertreter des ostbayerischen Handwerks bleiben wir parteipolitisch neutral. Uns ist vorrangig wichtig, dass alle politisch Verantwortlichen die Themen, die die lokale Wirtschaft und speziell das Handwerk beschäftigen, auf dem Schirm haben. Unsere Forderungen liegen auf dem Tisch, unser Appell an die künftige Regierung ist dringlich: Bewältigt die Pandemie mit durchdachten Konzepten und schafft gute Bedingungen für den Mittelstand! So halten wir das regionale Handwerk stark und wettbewerbsfähig, so sichern wir die Zukunft unserer Region.

 Ansprechpartner

Jürgen Kilger

Hauptgeschäftsführer

Tel. 0941 7965-101

juergen.kilger--at--hwkno.de



 Weiterführende Themen

www.hwkno.de/interessenvertretung



Dr. Georg Haber
Foto Graggo

  „Wir brauchen eine mittelstandsfreundliche Finanz- und Steuerpolitik. Jeder Auftrag hilft, unsere Volkswirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.“ 

Dr. Georg Haber



Statement Jürgen Kilger Ausbildungsstellensituation
Foto Graggo

 „Glasfaser bis zu jedem Haus sowie ein flächendeckender Mobilfunk sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaftsgruppe und letztlich der Region.“ 

Jürgen Kilger

Kilger Jürgen_neu Foto Graggo

Jürgen Kilger

Hauptgeschäftsführer

Ditthornstraße 10

93055 Regensburg

Tel. 0941 7965-101

juergen.kilger--at--hwkno.de